Mein Name ist Sebastian Ruf. Ich bin als Regional Kantor an der Schlosskirche in Bayreuth tätig. Und ich habe Ihnen heute eine wahre Geschichte mitgebracht, die sich genauso vor ein paar Jahren zugetragen hat. Sie trägt den Titel „Ein musikalischer Weihnachtswunsch“. Für Musiker ist der Advent ja die Zeit, in der am wenigsten Besinnlichkeit herrscht. Kirchenchor, Gesangverein, Posaunenchor. Alles, was Weihnachtslieder spielen und singen kann, ist gut beschäftigt. Für viele Gruppen und Chöre gehören Auftritte in Krankenhäusern und Seniorenheimen fest dazu. Und genau hier hat sich diese Geschichte zugetragen. Anfang Dezember kam eine junge Frau zum Leiter des örtlichen Chores und fragte an, ob sie nicht beim nächsten Singen im Seniorenheim für ihre Oma ein spezielles Weihnachtslied singen könnten. Die Oma stammte aus Schlesien und ihren Kindern und Enkelkindern hatte sie im Advent immer das Lied „Kommet ihr Hirten“ vorgesungen. Jetzt sei die Oma schon längere Zeit demenzkrank, aber die alten Lieder liebe sie sehr. Und an guten Tagen kenne sie sogar die Liedtexte. Die junge Frau hatte als kleines Mädchen immer mit der Oma beim Plätzchenbacken gesungen. Als die Oma durch die Demenz immer mehr abbaute und schließlich ins Pflegeheim umziehen musste, war das für ihre Enkelin eine Veränderung, mit der sie sehr schwer zurechtkam. Die Oma war immer da und plötzlich war sie das nicht mehr. Ich hätte nie gedacht, dass mich das so mitnimmt. Weil sie ja noch lebt und ich sie besuchen kann. Aber ich habe zum Beispiel die ersten zwei Jahre nach ihrem Umzug keine Plätzchen backen können, weil ich das ohne Oma nicht fertigbrachte. Und natürlich hat mir ihr Singen gefehlt. Der Chorleiter erzählte seinen Sängerinnen und Sängern davon. Und selbstverständlich wollten alle diesen Wunsch erfüllen. „Kommet, ihr Hirten“ wurde also mit besonderer Begeisterung geprobt und auf die Liederliste für das Singen im Seniorenheim gesetzt. Am Auftrittstag kam nicht nur der Chor ins Heim, sondern natürlich auch die Enkelin der demenzkranken alten Dame. Die beiden hielten sich an den Händen, hörten mit strahlenden Augen den Weihnachtsliedern zu und sangen alle drei Strophen von „Kommet, ihr Hirten!“ Als wenn die Demenz nie existiert hätte. An diesem Tag, das erzählte der Chorleiter noch oft, hört er eines der schönsten Komplimente der alten Dame: „Madla und Buam: das habt ihr schee gmacht. Und jetzt kann Weihnachten werden.“