Arbeit auf dem Bauernhof
In den Kriegsjahren hatte unsere Mutter während der Erntezeit bei einer befreundeten Bauernfamilie mitgeholfen. Dafür bekam sie manches von dem, was ein Bauernhof noch behalten durfte. Der Bauernsohn, gerade 18 geworden, wurde als Soldat eingezogen, seine vier Schwestern (siehe Geschichte Sonntagsschule) standen ihrer Mutter zur Seite, der Vater war gestorben. Und da war noch Jean, ein französischer Kriegsgefangener. Der konnte gut mit den Rindern umgehen und die Felder bestellen. Ich erinnere mich: Er hat uns Kinder stets angelächelt, tat uns aber leid, weil er immer auch traurig wirkte und oft lange in die Ferne starrte.
Weihnachtliches Backen
Um die Weihnachtszeit, ich denke das war 1943, beschloss Mutter Stollen zu backen. Sie hatte ihren „Bauernlohn“ gut zu lagern gewusst. Und gewiss auch manches von dem, was für die Lebensmittel-Marken zu erhalten war, abzuzweigen verstanden. Zucker zum Beispiel. Jetzt holte sie Butter, Eier, Mehl und Milch hervor und begann den Teig vorzubereiten und durchzukneten. Dann stellte sie die Schüssel in die Nähe des Küchenherdes. In der Mitte machte sie eine Mulde und da hinein legte sie die Hefe. „Des dauert eweng, bis der Teig aufgieht, nouchert fahrter die Stolln zum Bäcker“. “Wos giehtn dou auf“? fragten wir Mutter: „Des macht die Heffn“. Den chemischen Prozess zu erklären ersparte sie sich. Nach einiger Zeit begann die Hefe zu wirken, der Teig sah aus wie eine große Kugel. Mutter formte die Stolln. Drei oder vier waren es.
Der Weg zum Bäcker
Ich hatte aus einem Holzklotz kleine Steckerla geschnitzt und unseren Namen drauf geschrieben. Mutter steckte in jeden Stollen ein solches Ding. „Doumit sa net mit deji Stolln von annera Leit verwechselt wern“ Dann verpackte sie diese in Zeitungspapier und Decken und legte sie in den Handwagen, den wir schon vor die Tür gestellt hatten. „So, jetzt fahrt dr los, obber sed vorsichtig“. Sehr weit war der Weg ja nicht. Aber der Handwagen hatte eisenbereifte Räder und die Straße war holperig. Doch der Bäckermeister hat die weiche Stollenmasse einfach nochmal geformt. Dann schob er sie mit der Backschaufel in den Backofen. „So jetzt get’r ham, am Amd kennter sa wejider hulln“.
Duftender Stollen
Am Abend, es dunkelte schon, reichte uns die Bäckersfrau unsere duftenden noch warmen Weihnachtsstollen. Sorgfältig hat sie zuerst die Steckerla gelesen und dann wollte sie auch unsere Vornamen wissen. „Ach, dou bist der kla Sommermann!“
Warten bis zum Weihnachtsmorgen
Mutter hat ihre Stollen noch mit Puderzucker bestreut. Aber erst am Weihnachtsmorgen bekamen wir das erste Stück. Sie war sparsam.
Und was gibt es an Ostern?
Ach ja. Jahre später erzählte uns ein Bekannter, dass seine Mutter stolz darauf war, noch an Ostern Stollen anbieten zu können.